Von Leo Tjäderhane; DDS, PhD, Professor für Kariologie und Endodontie.
Kennen Sie diese Situation? Sie wollen gerade eine Klasse V-Kavität direkt am Gingivarand versorgen, aber dabei beginnt die Gingiva stark zu bluten? Verschiedene Hämostatika sollen Blutungen stoppen. Zunächst funktioniert das auch. Kommt aber die Gingiva nur leicht mit einem Instrument in Berührung, so setzt die Blutung wieder ein. Das ist frustrierend, oder? Ohne die entsprechende Vorsicht und eine Portion Glück, kann der Erfolg der Versorgung schnell gefährdet werden (Abb. 1), oder zumindest wird Ihr Tag dadurch negativ beeinflusst.
Abb. 1. Blutung im marginalen Drittel einer Kompositfüllung eines Prämolaren, einhergehend mit einem 1 mm breiten Spalt am Gingivarand. Die Versorgung ist weniger als 6 Monate alt. Foto von Leo Tjäderhane.
Hämostatika – zumindest die besten Präparate – wirken sehr gut, wenn man sie richtig einsetzt. Gerne möchte ich Ihnen dazu einen klinischen Trick verraten, den ich vor mehr als 20 Jahren von Dr. Dan Fischer gelernt habe und den ich seitdem erfolgreich anwende.
Hämostatika sind Gerinnungsmittel, die zur Verklumpung (Agglutination) von Bluteiweißen führen. Die Reaktion erfolgt sofort, aber der bloße Kontakt der Päparate mit der blutenden Oberfläche führt lediglich zu einer oberflächlichen Koagulation. Und hier unterläuft uns Zahnärzten oft der erste Fehler. Wir haben Angst, die Gingiva zu verletzen. Deshalb tragen wir das Mittel nur sehr vorsichtig auf, z. B. mit einem Pinsel oder mit der Instrumentenspitze. Alternativ können wir auch einen mit Hämostatikum getränkten Faden in den blutenden Sulkus legen. Beide Techniken sind eher ineffektiv, da die Wirkung der geringen Mengen Hämostatikum durch die latente Blutung beeinträchtigt wird. Selbst wenn die Blutung gestoppt zu sein scheint, kann sie durch die leichte Berührung mit einem Instrument, das Platzieren des Matrizenbands oder das Auftragen des Ätzgels schnell wieder ausgelöst werden.
Eine stabile Blutstillung kann erzielt werden, indem eine ausreichende Menge Hämostatkum in das blutende Gewebe eingebracht wird. Durch entsprechendes Einreiben wird das oberflächliche Koagulum entfernt und sichergestellt, dass kontinuierlich frisches Hämostatikum für das aus den Kapillaren fließende Blut zur Verfügung steht. Solange eine ausreichende Menge Hämostatikum vorhanden ist, wird das Koagulum tiefer in die Kapillaröffnungen gedrückt. Der Metal Dento-InfusorTM Tip (Ultradent Products, Inc.) (Abb. 2) erleichtert die Anwendung und sorgt für ein effektives Einreiben des Hämostatikums. Der Metal Dento-Infosur Tip verfügt über eine Luer-Lock-Spritze mit AstringedentTM 15,5 % Eisensulfat (Ultradent Products, Inc.) oder AstringedentTM X 12,7 % Eisenlösung (Ultradent Products, Inc.). Dies ermöglicht eine konstante und kontrollierte Applikation des Hämostatikums (in unmittelbarer Nähe der Blutkapillaren) (Abb. 3). Für diesen Vorgang wird lediglich etwa so viel Kraft benötigt, wie für ein Rubbellos.
Abb. 2. Der Metal Dento-InfusorTM Tip ermöglicht die Anwendung von Druck und bietet eine Bürste zum Einreiben des Präparats. Foto: Ultradent Products, Inc.
Abb. 3. Der Metal Dento-InfusorTM Tip appliziert das Hämostatikum direkt an den Öffnungen der blutenden Kapillaren. Durch die konstante Anwendung des Hämostatikums mit einer bürstenden Druckbewegung entsteht das Koagulum, das die Kapillaröffnungen verschließt. Fotos: Ultradent Products, Inc.
Nachdem das Hämostatikum je nach Ausmaß der Blutung 5-10 Sekunden lang eingerieben wurde, wird der Gingivarand gespült, um das Koagulum zu entfernen und die hämostatische Wirkung zu testen. Hierbei unterläuft uns Zahnärzten häufig der zweite Fehler. Da wir eine erneute Blutung vermeiden wollen, sind wir beim Spülen häufig übervorsichtig. Kräftiges Spülen ist jedoch erforderlich, um das lose Koagulum zu entfernen und Bereiche zu erkennen, in denen noch Blutungen auftreten können (Abb. 4). Nur so können Stellen identifiziert werden, an denen die Kapillaren unvollständig verschlossen sind und das Hämostatikum weiter eingerieben werden muss. In den meisten Fällen sind nicht mehr als zwei Durchgänge erforderlich, um eine stabile Hämostase im gesamten Arbeitsbereich zu erreichen. Anschließend kann das restaurative Verfahren fortgesetzt werden.
Abb. 4. Das lose Koagulum kann darunter liegende leichte Blutungen verdecken. Es wird durch kräftiges Spülen entfernt. Der Gingivarand wird mit der Luft-/Wasserspritze getrocknet und beobachtet, falls noch lokale Blutungen auftreten sollten, die ein weiteres Einreiben des Hämostatikums erfordern. Fotos: Ultradent Products, Inc. (Mitte) und Dr. Jessop (rechts und links).
Bei Bedarf kann jetzt ein Retraktionsfaden gelegt werden (Abb. 5). Er kann mit Hämostatikum getränkt werden. Ich persönlich verwende ihn nach Möglichkeit aber lieber in trockenem Zustand. Das Einbringen des Fadens in einen blutenden Sulkus ist nicht einfach und in vielen Fällen auch unwirksam, da die hämostatische Wirkung der relativ kleinen Menge Hämostatikum schnell nachlässt.
Abb. 5. Wurde die Blutung im Sulkus gestoppt, lässt sich der trockene oder mit Hämostatikum getränkte Retraktionsfaden einfach legen. In vielen Fällen unterstützt der Faden die Platzierung der Randseite der zervikalen Matrize nach der Applikation des Füllungsmaterials. Fotos: Ultradent Products, Inc. (Mitte), Dr. Jessop (rechts und links).
Selbst bei stark blutendem und entzündetem Gingivagewebe kann mit der „Scrub and Wash“-Technik in weniger als einer Minute eine vollständige und lang anhaltende Hämostase erreicht werden. Das Gewebe toleriert nun Matrize, Ätzsäure und Adhäsive, ohne dass ein Blutungsrisiko besteht. Die Zeit wurde also gut investiert, um optimale Bedingungen für eine qualitativ hochwertige restaurative Arbeit zu schaffen.
Vermutlich beeinträchtigen Hämostatika und Koagulumreste die Haftfestigkeit1,2 und Randdichtigkeit2 der Restauration. Unter Verwendung von Eisensulfat ist Säureätzen ausreichend, um Reste zu entfernen, einen geeigneten Verbund2 und eine gute Randadaption3 herzustellen. Kommen selbstätzende Adhäsive zum Einsatz, ist ConsepsisTM Scrub (Ultradent Products, Inc.) mit 2% Chlorhexidingluconat eine sichere Möglichkeit, die Oberflächenreinigung mit dem potenziellen Schutz der Kollagen-Hybridschicht gegen kollagenolytische Enzyme4 zu verbinden.
Sie werden sich vielleicht fragen, ob Sie sich über eine Schädigung der Gingiva durch das eher kräftige Einreiben des Hämostatikums Sorgen machen sollten. Die Antwort lautet: Nein! Sie können das Gingivaepithel nicht beschädigen. Es verfügt über eine Zugfestigkeit von ca. 4 MPa.5 Wenn mechanische Kräfte zu dauerhaften Schäden der Gingiva führen könnten, könnte auch keine Parodontitis mehr behandelt werden. Löst sich das Gewebe während des Einreibens etwas ab, so handelt es sich um entzündliches Granulationsgewebe, ohne welches es dem Patienten besser gehen wird.
Über den Author
Leo Tjäderhane schloss sein zahnmedizinisches Studium 1986 ab, promovierte 1995 und erwarb im Jahr 2000 seinen Facharzttitel in Kariologie, restaurativer Zahnheilkunde und Endodontie, jeweils an der Universität Oulu. Er wurde 2001 zum Dozenten (Adjunct Professor) an der Universität Oulu (Pulpabiologie), 2007 an der Universität Helsinki (klinische Kariologie und Endodontie) und 2008 an der Universität Turku (Kariologie und Endodontie) ernannt.
Literatur